Virginia blieb bei Amerika-Reisenden oft ein wenig unter dem Radar, doch in jüngster Zeit scheint der Bundesstaat im Südosten der USA in aller Munde zu sein. Von luxuriösen Resorts und fantastischen Weingütern ist die Rede, von einer lebendigen Brauerei-Szene und zauberhaften Landschaften zwischen Ozean und Blueridge Mountains. Doch was hat Virginia, Geburtsort von gleich acht ehemaligen US Präsidenten, tatsächlich zu bieten?
Lohnt sich das Ziel auch für Luxusreisende, Paare und Genießer? Das wollen wir genauer wissen und machen uns mit United Airlines von Frankfurt aus in Richtung Washington Dulles Airport, der rund 40 Kilometer westlich von der amerikanischen Hauptstadt liegt. Was viele Reisende nicht ahnen: Der Flughafen Washington-Dulles liegt tatsächlich bereits im Bundesstaat Virginia.
Nach entspannten acht Stunden Flug nonstop ab Frankfurt mit United Airlines (Empfehlung: die Economy Plus Sitze sind ihren Aufpreis absolut wert!) stehen wir kurz darauf bereits auf amerikanischem Boden: Welcome to Virginia! Mit dem Mietwagen steuern wir die erste Station unserer Reise an – es geht in die Hauptstadt Richmond.
Inhaltsverzeichnis
Richmond (Virginia): Eine Hauptstadt erfindet sich neu
Bereits vor 5 Jahren durfte ich Richmond, die Hauptstadt von Virginia, besuchen und empfand die Kombination aus reicher Geschichte und lebendiger Moderne schon damals sehr charmant. Doch in der Zwischenzeit hat Richmond nochmal einen riesigen Schub bekommen und glänzt heute als moderne, farbenfrohe City mit schier endlosen Möglichkeiten.
Wenn man von Luxus in Virginia redet, dann ist an einer echten Legende natürlich kein Vorbeikommen – dem The Jefferson Hotel in Richmond. Das ehrwürdige Haus zählt völlig zu Recht zu den feinsten Hotels Nordamerikas und hat es dank aufwändiger, wohl überlegter Renovierungen geschafft, seinen eleganten Charme zu erhalten, ohne jedoch auch nur im Ansatz angestaubt zu wirken.
Streng genommen ist das Jefferson Hotel selbst bereits eine große Sehenswürdigkeit. Das elegante Grand Hotel, in dessen feudaler Lobby eine lebensgroße Statue des Namensgebers thront, versetzt uns schon auf den ersten Schritten in längst vergangene Tage. Es ist ein erhabenes Gefühl, die breite Treppe hinab zur Rotunda zu schreiten, einer Art Innenhof im viktorianischen Stile.
Marmorsäulen, Wandteppiche, eine Vielzahl an Rundbögen verleihen dieser Zeitreise zusätzlichen Eindruck. Und auch in den Zimmern und Suiten des Hotels geht es nicht minder luxuriös zu. Im Gegenteil: Im Zuge der letzten Renovierung wurden zahlreiche Zwischenwände entfernt, die Zimmeranzahl deutlich verringert und die Zimmergröße damit entsprechend maximiert.
Seit 1895 geben sich im Jefferson Hotel die Eliten des Landes sowie Staatsgäste aus aller Welt die Klinke in die Hand. Hinter jeder Säule wartet eine neue, spannende Geschichte. Und auch für die Kulinarik ist selbstverständlich auf höchstem Niveau gesorgt. Das hauseigene Restaurant Lemaire schiebt sich an, ganz standesgemäß ebenfalls zur ersten Adresse der Stadt zu werden.
Wir sind von den delikaten Sea Food Spezialitäten und zahlreichen Südstaaten-Köstlichkeiten jedenfalls schwer begeistert. Auch in Sachen Service und Ambiente bleiben keine Wünsche unerfüllt, die Weinempfehlungen sind treffsicher und auf höchstem Niveau. Nur das Preisniveau wusste zu überraschen – denn im Vergleich mit anderen Fine Dining Restaurants in den USA ist das Lemaire ausgesprochen vernünftig bepreist.
Sehenswürdigkeiten in Richmond – oft unter freiem Himmel
Wer jedoch Richmond nur aus seinem Hotelfenster bestaunen möchte, dem entgeht tatsächlich eine ganze Menge. Und zwar bei jeder Wetterlage! Bei Sonnenschein ist vor allem das Flussufer des James Rivers ein beliebtes Ziel für Spaziergänger und Naturfreunde. Die teils rasanten Stromschnellen des Flusses locken abenteuerlustige Kajakfahrer, aber auch verschiedene Wasservögel an.
Die kleine Flussinsel Belle Isle bietet nicht nur eine tolle Aussicht und gute Wanderwege, sondern wird bei gutem Wetter auch als Badebucht benutzt. Auch der Canal Walk von Richmond, ein Spazierweg entlang eines Seitenarms des Flusses, ist von hier aus nur einen Steinwurf entfernt. Radfahrer können derweil auf dem vorbeiführenden Virginia Capital Trail ihre ganz eigene Entdeckungsreise entlang historischer Orte und Schauplätze des Civil Wars unternehmen.
À propos Trail: Richmond hat erst kürzlich eine eigene „Richmond Beer Trail Map“ herausgebracht. Richtig gelesen – ein Reiseführer mit mehr als 30 Brauereien. Angeblich lernt man(n) ja nirgendwo sonst die Einheimischen so gut kennen kennen wie bei einem gepflegten Gläschen Bier. Drei Breweries liegen in Flussnähe, die Mehrzahl in Scott’s Addition. Doch zu diesem spannenden Viertel kommen wir weiter unten.
Ungleich romantischer geht es in einer weiteren Sehenswürdigkeit von Richmond zu, dem Lewis Ginter Botanical Garden. Nun verfügt wohl jede größere Stadt auch in Deutschland über einen Botanischen Garden, doch die weitläufige Anlage in Virginias Hauptstadt ist tatsächlich von außerordentlicher Schönheit – insbesondere im Frühjahr zur Kirschblüte besonders sehenswert!
Völlig zu Recht gilt Lewis Ginter als einer der schönsten Gärten der USA. Die wohl beliebteste und auch bestbewertete Attraktion der Stadt ist derweil völlig kostenlos – das Virginia Museum of Fine Arts. Das an 365 Tagen im Jahr geöffnete Museum hat zwar kein prägendes Leitmotiv, doch es bietet gerade durch seine Vielfalt an Epochen und Stilrichtungen spannende Exponate für jeden Geschmack.
Neben den hochklassigen Daueraustellungen, darunter gleich fünf imperialistische Fabergé-Eier, sorgen die wechselnden Sonderausstellungen und Themenbereiche für jede Menge Abwechslung. Unser Tipp: Jeden Freitagabend gibt es im VMFA tolle Events, von Live-Musik und After Work Partys bis hin zum Wine Tasting mit besonderen Museumstouren. Die meisten Veranstaltungen sind kostenlos.
Vielfalt und Abwechslung sind auch die prägenden Charaktere des Stadtteils Carytown, der mit seinem Bohemian Style auf den ersten Blick recht unamerikanisch daherkommt.
Statt großer Supermärkte oder anonymer Franchise-Ketten haben sich in Carytown vor allem kleine Boutiquen, charmante Läden mit oft ungewöhnlichem Sortiment und hippe Bars angesiedelt. Es ist eher eine Flaniermeile als ein hektisches Shopping-Viertel. Mit der stylischen Cocktailbar The Jasper hat es ein Neuling vom Start weg zum neuen Hotspot des Stadtteils geschafft.
Solche Erfolgsgeschichten kleiner Shops im Familienbesitz finden sich in Richmond auch entlang der Broad Street, die vor allem für ihre Fashion-Fans im Luxussegment eine große Bandbreite liefert. Ob Maßanzüge bei Ledbury, handgefertigte Designerstiefel bei Rider Boot oder außergewöhnlichen Jeanskreationen im Shockoe Atelier – mit dem entsprechenden Kreditkartenlimit werden hier Shoppingträume wahr.
Scott’s Addition: Das neue Szeneviertel in Richmond
Doch der vielleicht spannendste Stadtteil Richmonds kommt auf den ersten Blick weit weniger glamourös daher, denn Scott’s Addition erinnert von außen zunächst an ein altes Industriegebiet. Dabei stecken hinter den Wänden und Fassaden die wohl interessantesten Emporkömmlinge von Virginias Gastro- und Kulinarikszene. Wir treffen auf viele Unternehmen und Persönlichkeiten ganz nach dem Vorbild des „American Dream“.
Aus kleinen Garagen-Hobbys sind hier tolle Erfolgsgeschichten entstanden, die längst Maßstäbe setzen und Scott’s Addition ein wenig zum Silicon Valley der amerikanischen Craft Beer und Whiskey-Szene machen. Ja sogar erfrischende Ciders werden hier in alten Lagerhallen gekeltert (Blue Bee Ciders) – und sie erinnern durchaus an unser hessisches Nationalgetränk, den Ebbelwoi.
Doch wer nun an dunkle Hinterhof-Brennereien oder zwielichtige Kneipen denkt, der ist gehörig auf dem Holzweg. Die mittlerweile sieben Brauereien übertrumpfen sich mit neuen Geschmacksrichtungen und unternehmerischen Spirit. Orte wie Ardent Craft Ales sind keine Sammelbecken für gescheiterte Existenzen, sondern helle, offene und freundliche Treffpunkte für Jung und Alt.
Selbst Familien mit Kindern treffen wir hier, die offene Bauweise mit Ausschank und Gaststätte unmittelbar vor der tatsächlichen Braufläche machen die Breweries auch gewissermaßen zu einer Erlebniswelt. Voller Stolz erzählen die Inhaber über ihre neuesten Kreationen und Auszeichnungen oder zeigen interessierten Gästen kurzerhand ihre „heiligen Hallen“, Lonely Planet widmete dem Viertel jüngst einen eigenen Artikel.
Ein wichtiger Teil dieser Entwicklung sind Jay Carpenter und sein ehemaliger Klassenkamerad David Cuttino. Die beiden haben aus einer sprichwörtlichen Schnapsidee heraus die heute vielfach ausgezeichnete Reservoir Destillery gegründet. Sie sind zugleich so etwas wie die Gründerväter dieses aufblühenden Szene-Viertels, das bei ihrer Eröffnung 2008 noch ziemlich seelenlos wirkte und fortan einen rasanten Wandel erlebte:
„Als wir vor 10 Jahren hier aufgemacht haben, habe ich nach Feierabend erstmal in alle Richtungen mit der Taschenlampe gestrahlt. Das ganze Viertel war damals ein bisschen düster und trostlos. Heute ist es hier fast unmöglich, eine bezahlbare Immobilie zu finden. Jeder will hier hin! Scott’s Addition ist lebendig, angesagt und sicher – die gesamte Nachbarschaft ist einfach fantastisch“, erzählt Jay bei unserem Besuch.
Das Viertel scheint wie aus einem Dornröschenschlaf geküsst und hat seinen Anteil am neuen, coolen Image von Richmond, das neben all seiner modernen Entwicklungen auch seine bewegende Geschichte nie vergisst.
Geschichtsträchtige Orte und das „Weiße Haus von Richmond“
Ob am Civil War Museum, den umliegenden Battle Fields oder entlang der Monument Avenue – das historische Erbe der Stadt ist vierlerorts in sehr ansprechender Weise dargeboten. Da spielt für einheimische Besucher natürlich stets eine gehörige Portion Patriotismus mit, doch die Entstehungsgeschichte der Vereinigten Staaten ist auch für uns Europäer sehr interessant. Das gilt auch für den Capitol Hill.
In der gepflegten Parkanlage befindet sich die berühmte Reiter-Statue von George Washington sowie das Capitol. Die neoklassische Architektur mit den hohen Säulen im Zentrum des Regierungssitzes erinnern unweigerlich an das Weiße Haus in Washington DC. Dabei war der Bau in Richmond, nach einem Entwurf von Thomas Jefferson persönlich, sogar zwei Jahre vor dem „großen Bruder“ in Washington fertig.
Für uns heißt es am nächsten Morgen dann Abschied nehmen von Richmond, denn unsere Rundreise führt uns weiter in Richtung Charlottesville und Loudon County (Artikel). Die Hauptstadt Virginias hat uns nicht nur bestens willkommen geheißen, sondern absolut begeistert. Hier ist eine Dynamik entstanden, die dem ganzen Bundesstaat gut tun wird. Richmond hat uns eindrucksvoll gezeigt, warum Virginia als Reiseziel zunehmend beliebter wird!
Fazit: Das solltet ihr in Richmond nicht verpassen
Weitere Virginia Reisetipps gibt es auf den Webseiten von Visit Richmond VA und Virginia is for lovers.