Es ist genau 8 Uhr, als die Condor Maschine langsam zum Sinkflug ansetzt. Eine Durchsage des Kapitäns informiert uns Passagiere jedoch Momente später darüber, dass bisher keine Landeerlaubnis erteilt wurde. Lachend – fast etwas schelmisch – fügt er an, dass er darauf schon seit so vielen Jahre hoffe, bis dato aber noch nie Holding über dem zauberhaften Kapstadt hätte fliegen dürfen.
„Lehnen Sie sich zurück und genießen mit mir die Aussicht!“
Ich sitze recht mittig, mit allen Vor- und Nachteilen. Einerseits habe ich natürlich kein eigenes „Guckloch“ für mich, andererseits ergibt sich immer wieder die Möglichkeit, den Blick nach draußen auf beiden Seiten des Flugzeuges erhaschen zu können. Zu meiner Linken färbt sich der Himmel durch die aufgehende Sonne in ein prächtiges Orange und wird von tiefroten Streifen durchzogen. Ein unglaubliches Farbenspiel.
Kleine Wolken am Horizont nehmen diese kräftigen Farben an und formen wunderbare, sich auftürmende Gebilde. Ich schaue aus einem der rechten Fenster. Hier erblicke ich die Silhouette der Mother City. Zwischen Tafelberg und südatlantischem Ozean liegt der Kern von Kapstadt, der Mutterstadt Südafrikas. Für viele Einheimische ist sie trotz der Größe Johannesburgs bis heute die einzige echte Metropole des Landes.
Der morgendliche Trubel dort unten am Boden lässt sich aus luftiger Höhe nur erahnen. Der Tafelberg hüllt sich noch verträumt in dünne Nebelwolken. Ich erkenne das Cape Town Stadium in unmittelbarer Nähe der Waterfront. In einiger Ferne ist das Ende des afrikanischen Festlandes erreicht. Fast an der Südspitze muss das weltbekannte Kap der guten Hoffnung liegen. Meine Vorfreude ist nun am Siedepunkt.
Inhaltsverzeichnis
Wahrzeichen Tafelberg – ein MUSS für jeden Kapstadt Neuling
Da es mein erster Besuch in Kapstadt ist, beginne ich meine Tour mit einem Ausflug zum Tafelberg. Mit einiger Untertreibung könnte man ihn schlicht als Wahrzeichen der Stadt bezeichnen. Mit etwas Wohlwollen als Aushängeschild von ganz Südafrika. In jedem Fall ist das markante Plateau mit den benachbarten Erhebungen des Signal Hills, Lion’s Head und Devil’s Peak schon aus der Entfernung absolut atemberaubend.
Ich schiebe es mal auf meinen Zeitplan, dass ich mich gegen eine mehrstündige Wanderung entscheide. Stattdessen sitze ich kurz darauf im Table Mountain Cableway und fahre bequem mit der Seilbahn empor. Für Kapstadt-Neulinge ist es die ideale Möglichkeit, die majestätische Kulisse in aller Ruhe aufzusaugen und sich mit diesem hinreißenden Panorama einen ersten Überblick der zweitgrößten Stadt Südafrikas zu verschaffen.
Dabei wurde über den Tafelberg in Kapstadt schon so vieles geschrieben und berichtet, dass ich mich an dieser Stelle bewusst kurz halten möchte. Man muss ihn einfach mit eigenen Augen gesehen haben – diese Auffassung hat sich offenbar herumgesprochen. Um sich die langen Wartezeiten am Ticketschalter zu ersparen, lohnt es sich daher, das Ticket für Hin- und Rückfahrt bereits vorab online zu erwerben (rund 15 Euro).
Woodstock: Vom Industrieviertel zum Hipster Hot-Spot
Am frühen Vormittag führt mich mein Weg weiter in die Nähe der beliebten V&A Waterfront mit ihren zahllosen Shops und Cafés. Ich fröhne jedoch nicht dem touristischen Treiben am meistbesuchten Ort in ganz Südafrika, sondern steuere den nahe gelegenen Vorort Woodstock an. Ein ehemaliges Industriegebiet, das sich zum absoluten Szeneviertel für junge Designer und Kreative gemausert hat.
Ehemalige Lagerhallen dienen als Arbeitsräume. Künstler nutzen die geräumigen Industriegebäude als hippe Ausstellungsflächen. Bekannt ist das Viertel vor allem für seine inspirierende Street Art. Lokale Künstler haben sich hier auf den Fassaden der Bauwerke verewigt. Mal tiefsinnig und gesellschaftskritisch, mal durchgeknallt und schräg. Ich schließe mich einer geführten Art Tour an, um mehr über die Geschichten dahinter zu erfahren.
Gleich zu Beginn betont unser Guide Juma, dass es hier in Woodstock keinen Anlass mehr für Unwohlsein gebe. Die zwielichtigen Zeiten seien vorbei, die Bewohner voller stolz auf ihre Heimat. Besucher dürften allzu daher gerne in ihre farbenfrohe Welt eintauchen. Im Laufe der spannenden Tour bekomme ich zunehmend ein Gefühl dafür, was die überwiegende Mehrheit der Graffitis miteinander vereint.
Politische Meinungen werden ausgedrückt, der Wunsch nach Frieden und Freiheit bekundet sowie die Apartheid verschrien. Man spürt eine Aufbruchstimmung, eine Motivation, dieses Viertel auch zukünftig vorantreiben zu wollen. Doch Woodstock bietet weit mehr als fantastische Outdoor-Kunst. Auch im Inneren der Gebäude haben sich meist kleine, aber feine Galerien wie Stevenson oder die viel gelobte Goodman Gallery angesiedelt.
Die bedeutendsten zeitgenössischen Künstler des Landes reihen sich in den Ausstellungen und Verkaufsräumen aneinander. Vielerorts sind schon die Ausstellungsräume so spektakulär, dass sich ein Besuch selbst für Kunstbanausen lohnen dürfte. Die Smith Studio Gallery ist so ein Beispiel und verkörpert in Perfektion die Mischung aus alter Industriekultur und der Verwirklichung hipper Freigeister.
Old Biscuit Mill: Food Market und Design-Ausstellung
Ein weiter Anlaufpunkt und absolutes Pflichtprogramm bei einem Besuch in Woodstock ist die Old Biscuit Mill. Das Gelände einer ehemaligen Keksfabrik wurde liebevoll restauriert und umgebaut. Heute findet man hier Boutiquen von Designern, trendige Cafés und charmante Restaurants neben modernen Büroräumen. Das wöchentliche Highlight ist jeden Samstag von 9 bis 14 Uhr der Neighbourgoods Market – ein Genuss für alle Sinne!
Ich betrete das trubelige Gelände bei strahlendem Sonnenschein. Straßenmusiker untermalen die Atmosphäre mit ruhiger Elektro-Musik, die zum Verweilen einlädt. Menschen haben sich auf Bierzeltgarnituren oder Heuballen niedergelassen, sie genießen ihr Glas Wein oder ein frisch gezapftes Bier.
Im vorderen Teil der alten Lagerhalle findet man eine schier endlose Auswahl an frischen Zutaten und Leckereien, die das Herz eines jeden (Hobby-)Koches höher schlagen lassen. Anmutende Düfte von Gewürzen, Ölen und frischen Backwaren wecken langsam aber sicher mein Hungergefühl. Im hinteren Bereich der Halle gibt es unendlich viele Möglichkeiten die aufkommenden Gelüsten mit frisch zubereiteten Spezialitäten zu befriedigen.
Die Auswahl wird mir durch die gut riechenden und optisch überragenden Köstlichkeiten nicht gerade leicht gemacht. Ich probiere eine Teigrolle, die optisch zunächst an einen gefüllten Burrito erinnert. Der Geschmack übertrifft jedoch jegliche Assoziationen mit den oft fettigen mexikanischen Tortillas. Ein leckerer Fleischspieß vom Grill bietet sich als perfekter Abschluss an.
Doch auf dem Neighbourgoods Market stoße ich nicht nur auf kulinarische Höhepunkte. Junge Designer inspirieren mit von Hand gefertigten Unikaten. Von Schmuck über Textilien bis hin zu Lederwaren findet man hier oft aufwändig und individuell gestaltete Stücke zu fairen Preisen. Auch ich bin fündig geworden und habe mir einen hochwertigen, schwarzen Rucksack aus echtem Leder gekauft.
In Kapstadt steht (k)ein Hofbräuhaus!?
Man mag es kaum glauben, aber lange Zeit gab es in Kapstadt tatsächlich einen prominenten Ableger der deutschen Bierkultur. Das Paulaner Bräuhaus an der Waterfront servierte Schweinshaxe, Brezen und – natürlich – Weißbier. Seit Sommer 2012 gehört diese Skurillität jedoch wieder der Vergangenheit an und findige Jungunternehmer haben ihr bierisches Schicksal im Süden Afrikas wieder selbst in die Hand genommen.
Meine letzte Station an diesem Tage ist die Devil’s Peak Brewing Company mitten im Herzen von Woodstock. Sie steht für ebenjene neue, aufstrebende Generation in den Southern Suburbs und hat in gewisser Hinsicht Symbolcharakter für die gesamte Kapregion. In einer alten, fast unscheinbaren, mit Ziegelsteinen beschlagenen Lagerhalle ist es den Inhabern gelungen, die Bierkultur neu zu erfinden und einen wahren Szenetreff zu schaffen.
Die Rezepturen überzeugen mich beim Beer Tasting schon mit den ersten Schlücken. Für umgerechnet etwa 7 Euro nutze ich die Möglichkeit, gleich fünf hauseigene Biersorten zu probieren. Mein absoluter Favorit ist – zu meiner eigenen Verwunderung – das Lager mit seiner leichten, unaufdringlichen Süße und einer einzigartigen, vollmundigen Aromatik. Selbst beim Bier kann mich Kapstadt also überraschen.
Als sich die Sonne langsam hinter den Horizont schiebt und ich den Tag vor dem inneren Auge Revue passieren lasse, stellt sich ein breites Grinsen bei mir ein. Mit einem gewaltigen Sturm an farbenfrohen Eindrücken hat mich die Mother City in Windeseile verzaubert und wird mich ganz sicher schon bald wiedersehen. So soll es ja den meisten Reisenden in der Stadt, ja sogar auf dem gesamten Kontinent gehen:
Du kannst Afrika zwar verlassen – doch Afrika verlässt dich nie wieder!
Doch mein Abenteuer ist zum Glück noch nicht zu Ende – am Abend geht es zurück in die schöne Weinhochburg Stellenbosch (Lesetipp: The Stellenbosch Way Of Life).
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